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Aus den Landesanstalten
die Fische und ihre Meidbewegungen? Schwimmen von Fischen (und anderen Wasserorganismen) be-
Fische in diese kalten Refugien oder suchen sie sogar rücksichtigt.
Nebengewässer auf, um thermischen Belastungen
auszuweichen? Für Gewässerabschnitte, in denen ein Fortbestand
der Fischbestände nicht mehr gewährleistet ist, wer-
Für die Funktionalität der Gewässer kann es somit den aktuell schon Bestandsbergungen und Umsetz-
wichtig sein, dass auch bei Pegeltiefständen die Ne- maßnahmen oftmals durch Ehrenamtliche und loka-
bengewässer für Fische erreichbar sind. Bei Nichter- le Vereine durchgeführt. Die Fische werden in der
reichen sollten Renaturierungsmaßnahmen die Ver- Regel in Abschnitte des gleichen Gewässern gesetzt,
netzung der Gewässer wiederherstellen. An geeigne- die weniger stark (durch Hitze und Trockenheit) be-
ten Gewässerabschnitten, in denen Kaltwasserein- lastet sind, und werden bei Entspannung der Verhält-
tritte erfolgen (Grundwasserzuflüsse, kältere nisse wieder in ihre ursprünglichen Lebensräume
Einmündungen), kann durch den Aushub von tiefen zurückwandern.
Abschnitten ein kurzfristiges „Kaltwasserrefugium“
geschaffen werden. Ob dies von Fischen angenom- Während Hitzephasen drohen Fische oftmals durch
men wird, wie stark die baulichen Belastungen für erhöhte Temperaturen und niedrige Sauerstoffkon-
das Gewässer sind und ob hier nachhaltig ein Rück- zentrationen Schaden zu nehmen. Oftmals werden
zugshabitat geschaffen werden kann, bedarf einer akute Maßnahmen (durch Feuerwehr und THW) mit
genauen Beurteilung vor Ort. speziellem Gerät eingeleitet, die für eine Belüftung
des Gewässers sorgen sollen. Damit diese aber effek- Dr. Timo Basen
tiv sind und nicht sogar Nachteiliges bewirken, be- Fischereiforschungsstelle
Seen und Stillgewässer nötigt es wirksame Eintragsgeräte und eine spezielle Langenargen
Gerade Seen sind in ihrer Morphologie und Funkti- Ausbildung von Einsatzkräften, um auf die unter- Tel.: (07543) 9308-315
on sehr unterschiedlich, daher ist eine generelle Aus- schiedlichen Gegebenheiten vor Ort reagieren zu timo.basen@lazbw.bwl.
sage zu Auswirkungen von Hitzeperioden und Tro- können. de
ckenphasen für Stillgewässer schwierig. In großen,
tiefen Gewässern stellen sie eher eine geringe direk- Die teilweise noch gängige Praxis der Tränke von
te Belastung für die Fische dar. In der Regel sind die Vieh im oder am Gewässer stellt gerade in Hitzezei-
Tiere in der Lage, tiefe kältere Gewässerbereiche zu ten eine enorme Belastung der Gewässer an der
erreichen. Solange ausreichend Sauerstoff im Tiefen- Tränke sowie stromab dar, da durch Trittschäden und
wasserkörper vorhanden ist, wird kein Massenster- Ausscheidungen der Tiere stoffliche Einträge das Ge-
ben eintreten. Zwar gibt es so keine direkte Mortali- wässer zusätzlich belasten.
tät, jedoch werden die Fische z.B. aus ihren Habita-
ten vertrieben.
Schutzkonzepte
Anders sieht die Situation bei kleinen Stillgewässern Dr. Alexander Brinker
aus, besonders bei nährstoffreichen. Dort ist zum Gerade durch die Veränderung von Umweltbedin- Fischereiforschungsstelle
einen der Tiefenwasserkörper deutlich kleiner und gungen werden sich die Lebensraumbedingungen Langenargen
heizt sich somit auch schneller auf, und zum anderen und somit geeignete Lebensräume für die Fischarten Tel.: (07543) 9308-324
besteht hier die Gefahr von erhöhter Sauerstoffzeh- ändern und verschieben (Basen 2016; Basen und Ros alexander.brinker@lazbw.
rung durch mikrobielle Abbauprozesse. Gerade bei 2018). Somit ist es mittelfristig notwendig, aktuelle bwl.de
diesen Gewässern ist eine Reduktion der Einträge Schutzgebiete und -konzepte, nicht nur für Fische, an
aus dem Umland von wesentlicher Bedeutung, sei es die Veränderungen durch den Klimawandel anzupas-
durch die Extensivierung von (benachbarten) land- sen und notfalls Schutzgebiete neu auszuweisen. Um
wirtschaftlichen Flächen, der Ausweitung von Ge- dem erwarteten negativen Einfluss von Gewässerer-
wässerrandstreifen, sowie durch den Bau von Regen- wärmung im Zuge der zukünftigen Klimaverände-
rückhaltebecken. rungen entgegenzuwirken, ist es notwendig, die Ge-
wässer ökologisch wieder aufzuwerten. Mit Gewäs-
sersanierung und -renaturierung ermöglicht man es
Sofort-Maßnahmen Fischen, zumindest in gewissem Maß, den klimati-
schen Belastungen in Zukunft entgegenzutreten.
In extremen Hitzeperioden, wenn die Pegel und Ab- Sofern den Fischen aber keine thermischen Rück- Dr. Julia Gaye-Siessegger
flüsse der Fließgewässer niedrig sind, sollten zu den zugsmöglichkeiten gegeben werden, scheinen Be- Fischereiforschungsstelle
bestehenden Regelungen für die Wassernutzung und standseinbußen und Artverluste unausweichlich. Langenargen
-entnahme spezielle ökologisch abgeleitete Regeln Tel.: (07543) 9308-322
entwickelt werden, die die akute Gefährdungslage Quellen: Julia.Gaye-Siessegger@
lazbw.bwl.de
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