Page 61 - Landinfo 4/2019 ULB Emmendingen
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Aus den Landesanstalten





       die Fische und ihre Meidbewegungen? Schwimmen   von Fischen (und anderen Wasserorganismen) be-
       Fische in diese kalten Refugien oder suchen sie sogar   rücksichtigt.
       Nebengewässer auf, um thermischen Belastungen
       auszuweichen?                            Für Gewässerabschnitte, in denen ein Fortbestand
                                                der Fischbestände nicht mehr gewährleistet ist, wer-
       Für die Funktionalität der Gewässer kann es somit   den aktuell schon Bestandsbergungen und Umsetz-
       wichtig sein, dass auch bei Pegeltiefständen die Ne-  maßnahmen oftmals durch Ehrenamtliche und loka-
       bengewässer für Fische erreichbar sind. Bei Nichter-  le Vereine durchgeführt. Die Fische werden in der
       reichen sollten Renaturierungsmaßnahmen die Ver-  Regel in Abschnitte des gleichen Gewässern gesetzt,
       netzung der Gewässer wiederherstellen. An geeigne-  die weniger stark (durch Hitze und Trockenheit) be-
       ten Gewässerabschnitten, in denen Kaltwasserein-  lastet sind, und werden bei Entspannung der Verhält-
       tritte erfolgen (Grundwasserzuflüsse,  kältere   nisse wieder in ihre ursprünglichen Lebensräume
       Einmündungen), kann durch den Aushub von tiefen   zurückwandern.
       Abschnitten ein kurzfristiges „Kaltwasserrefugium“
       geschaffen werden. Ob dies von Fischen angenom-  Während Hitzephasen drohen Fische oftmals durch
       men wird, wie stark die baulichen Belastungen für   erhöhte Temperaturen und niedrige Sauerstoffkon-
       das Gewässer sind und ob hier nachhaltig ein Rück-  zentrationen Schaden zu nehmen. Oftmals werden
       zugshabitat geschaffen werden kann, bedarf einer   akute Maßnahmen (durch Feuerwehr und THW) mit
       genauen Beurteilung vor Ort.             speziellem Gerät eingeleitet, die für eine Belüftung
                                                des Gewässers sorgen sollen. Damit diese aber effek-  Dr. Timo Basen
                                                tiv sind und nicht sogar Nachteiliges bewirken, be-  Fischereiforschungsstelle
       Seen und Stillgewässer                   nötigt es wirksame Eintragsgeräte und eine spezielle   Langenargen
       Gerade Seen sind in ihrer Morphologie und Funkti-  Ausbildung von Einsatzkräften, um auf die unter-  Tel.: (07543) 9308-315
       on sehr unterschiedlich, daher ist eine generelle Aus-  schiedlichen Gegebenheiten vor Ort reagieren zu   timo.basen@lazbw.bwl.
       sage zu Auswirkungen von Hitzeperioden und Tro-  können.                          de
       ckenphasen für Stillgewässer schwierig. In großen,
       tiefen Gewässern stellen sie eher eine geringe direk-  Die teilweise noch gängige Praxis der Tränke von
       te Belastung für die Fische dar. In der Regel sind die   Vieh im oder am Gewässer stellt gerade in Hitzezei-
       Tiere in der Lage, tiefe kältere Gewässerbereiche zu   ten eine enorme  Belastung der Gewässer an der
       erreichen. Solange ausreichend Sauerstoff im Tiefen-  Tränke sowie stromab dar, da durch Trittschäden und
       wasserkörper vorhanden ist, wird kein Massenster-  Ausscheidungen der Tiere stoffliche Einträge das Ge-
       ben eintreten. Zwar gibt es so keine direkte Mortali-  wässer zusätzlich belasten.
       tät, jedoch werden die Fische z.B. aus ihren Habita-
       ten vertrieben.
                                                  Schutzkonzepte
       Anders sieht die Situation bei kleinen Stillgewässern                             Dr. Alexander Brinker
       aus, besonders bei nährstoffreichen. Dort ist zum   Gerade durch die Veränderung von Umweltbedin-  Fischereiforschungsstelle
       einen der Tiefenwasserkörper deutlich kleiner und   gungen  werden  sich  die  Lebensraumbedingungen   Langenargen
       heizt sich somit auch schneller auf, und zum anderen   und somit geeignete Lebensräume für die Fischarten   Tel.: (07543) 9308-324
       besteht hier die Gefahr von erhöhter Sauerstoffzeh-  ändern und verschieben (Basen 2016; Basen und Ros   alexander.brinker@lazbw.
       rung durch mikrobielle Abbauprozesse. Gerade bei   2018). Somit ist es mittelfristig notwendig, aktuelle   bwl.de
       diesen Gewässern ist eine Reduktion der Einträge   Schutzgebiete und -konzepte, nicht nur für Fische, an
       aus dem Umland von wesentlicher Bedeutung, sei es   die Veränderungen durch den Klimawandel anzupas-
       durch die Extensivierung von (benachbarten) land-  sen und notfalls Schutzgebiete neu auszuweisen. Um
       wirtschaftlichen Flächen, der Ausweitung von Ge-  dem erwarteten negativen Einfluss von Gewässerer-
       wässerrandstreifen, sowie durch den Bau von Regen-  wärmung im Zuge der zukünftigen Klimaverände-
       rückhaltebecken.                         rungen entgegenzuwirken, ist es notwendig, die Ge-
                                                wässer ökologisch wieder aufzuwerten. Mit Gewäs-
                                                sersanierung und -renaturierung ermöglicht man es
         Sofort-Maßnahmen                       Fischen, zumindest in gewissem Maß, den klimati-
                                                schen Belastungen in Zukunft entgegenzutreten.
       In extremen Hitzeperioden, wenn die Pegel und Ab-  Sofern den Fischen aber keine thermischen Rück-  Dr. Julia Gaye-Siessegger
       flüsse der Fließgewässer niedrig sind, sollten zu den   zugsmöglichkeiten gegeben werden, scheinen Be-  Fischereiforschungsstelle
       bestehenden Regelungen für die Wassernutzung und   standseinbußen und Artverluste unausweichlich.  Langenargen
       -entnahme spezielle ökologisch abgeleitete Regeln                                 Tel.: (07543) 9308-322
       entwickelt werden, die die akute Gefährdungslage   Quellen:                       Julia.Gaye-Siessegger@
                                                                                         lazbw.bwl.de



       Landinfo 4 | 2019                                                                                     61
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